BERGSTEIGENROCK

Ortler Hintergrat (3.905m)

  • Teilnehmer: Kunzi, Tabsi
  • Datum: 18/19.07.2014
  • Schwierigkeit: 4
  • Video Ortler Hintergrat: hier

 

Ortler Hintergrat Tag 1

Die Ortler Hintergrat Besteigung war ein lang ersehnter Wunsch. Es war erst Mitte Juli und viele hohe Gipfel waren noch schneebedeckt. Zamg und andere Wetterseiten sagten aber super stabiles Wetter voraus, und die 0 Grad Grenze sollte sich, auch in der Nacht, im Alpenraum bei 3500m einpendeln. Was tun, war die einzig verbleibende Frage.

Top motiviert entschieden sich Tabsi und ich am Donnerstagabend bereits alles herzurichten um Freitagmittag nach der Arbeit Richtung Sulden aufzubrechen.  Unser nicht weniger motiviertes Ziel, die Besteigung des Ortlers via Hintergrat, und um es noch etwas spannender zu machen, am Freitagnachmittag.

Um 11.45 trafen sich Tabsi und ich in Mutters und rasten relativ problemlos nach Sulden.

Um 13.35 begann dann unsere Tour bei der Talstation der Bergbahn, wie gesagt, mit dem Ziel den Ortleb Hintergrat noch am selbigen Nachmittag zu durchsteigen und am Gipfel ein Biwak zu errichten. Dementsprechend geladen waren auch unsere Rucksäcke, was wir aber von anderen Touren bereits gewohnt waren.

1 ½ Stunden später (15:00) kamen wir bereits auf der Hintergrat-Hütte/Rifugio Coston (2661m) an. Nach kurzer Lagebesprechung mit dem Hüttenwirt, der uns super Verhältnisse bestätigte, und verbleibenden 6,5h bis es dunkel wurde, entschieden wir uns das Projekt durchzuziehen.

Nach 30 Minuten auf Schotter-Moränen ging es dann etwas steiler nach rechts weg und bald schon hießen uns die ersten Schneefelder willkommen. Es waren zwar Trittspuren vorhanden, trotzdem waren diese von der Tagessonne bereits weichgekocht und wir sanken recht tief ein. Nach 2h erreichten wir wieder etwas härteren Untergrund, den eigentlichen Grat, auf dem wir dann auch wieder flotter vorankamen. Gegen 18:00 erreichten wir, nach einer 2er und mehreren 1er Stellen, das 1. Große Eisfeld da der Ortler bereits damit begann seinen Schatten über den Hintergrat zu werfen, überlegten wir die Tour für den heutigen Tag bereits hier zu beenden und unser Nachtlager am Eisfeld aufzuschlagen. Kurz überlegt aber sofort wieder verworfen ging es weiter in den nun technisch anspruchsvolleren Teil der Tour. Am Signalkopf (3725m), bzw. direkt unter ihm, waren wir dann sehr schnell.

ACHTUNG: Der Signalkopf ist nicht zu überklettern sondern links unterhalb zu umrunden. Eine Holzstange steckt dafür direkt vor dem Signalkopf als Zeichengeber im Fels. Hier heißt es im dritten Grad links abklettern. Aber halb so schlimm, da 3-4 Haken in der Wand Sicherheit geben. Nach dem Signalkopf war für uns noch ein schneidiger Schneegrat zu überwinden. Da war sie nun direkt vor uns, die KRUX der Ortler Hintergrat, einer der zwei 4er Stellen, aber sicher die herausfordernde der beiden.

Etwas speckig aber nur 3-4m hoch stellt sich hier eine Verschneidung auf. Mit dem schweren Rucksack hatte ich dann doch etwas zu kämpfen eine dort fixierte, herabhängende Metallkette mit der rechten Hand zu erreichen. Dann ging es recht einfach. Kurz in der Kette mit Expressschlinge gesichert und rauf. Gleich danach folgt noch eine 3er Stelle und dann das zweite, recht ausgesetzte, Eisfeld. Mittlerweile war es dann auch bereits 21:00 Uhr geworden und es dämmerte. Das Eisfeld wurde noch geschafft, dann aber machten sich schon gröbere Ermüdungserscheinungen bei Tabsi bemerkbar. Zusätzlich wurde das Gelände jetzt erst richtig interessant. 3er Gelände und dann sogar eben nochmal eine 4er Stell. Die kostete Tabsi die letzten Reserven und beim Nachsichern hörte ich seine Würgereize. Ich dachte mir noch, was würgt denn der hoch, wir hatten dich seit 9h nichts gegessen. In Summe Tabsi war „off“, genauso wie die Batterien meiner ausgeliehenen Stirnlampe die keine 20 Minuten gehalten hatte.

Die zweite 4er Stelle des Ortler Hintergrates konnte ich Tabsi dann noch hochhieven, dann wurde uns aber beiden klar, dass wir mit nur einer Stirnlampe die verbleibenden Meter nicht mehr schaffen würden.

Wir kletterten noch etwas weiter und fanden eine eingeschneite aber doch ausgesetzte Stelle an der ich mir phantasievoll ein Not-Biwak vorstellen konnte. Mit dem Kochtopf grub ich uns etwa 30cm tiefe und 75 cm breite Furchen in den Schneegrat. Dahinein legten wir unsere Isomatten, zumindest so viel wie davon längs in den Schneemulden Platz hatte. Einguter halber Meter meiner Matte hing in der Luft. Schlafsack raus, Kocher raus und endlich etwas chillen. Hintereinander am Grat in unseren mega Schlafsäcken liegend, ließen wir das geplante üppige Abendessen aus und gönnten uns nur 2-3 Riegel. Wasser für den nächsten Tag wurde aufgestellt und dann gegen 22:30 noch etwas Richtung Gipfel geblickt, der nur schemenhaft zu erkennen war. Ich war mir sicher dass es nicht weit gefehlt hatte, aber es war zu dunkel um meine Ahnung visuell bestätigen zu können. Kurze Zeit später traute ich meinen Augen nicht, als ich rund 50-100m höher Stirnlampenlichter sehen konnte. Das mussten Bergsteiger vom Normalweg sein, die jetzt am Gipfel mit ihren Lichtern zu erkennen waren. Etwas verärgert, das Projekt nicht erfolgreich abgeschlossen zu haben, genoss ich noch etwas den einzigartigen Sternenhimmel und probierte dann zu schlafen. Wie Bergfex, Zamg und Meteoblue einstimmig vorher gesagt hatten, war die Nacht alles andere als kalt. Auch der Wind verschonte uns trotz wirklich exponierter Lage und so konnten wir auch etwas Schlaf finden. Am nächsten Morgen um 05:00 stiegen wir etwas ungelenkig aus den Schlafsäcken und packten unser Zeug. Kurz vor Aufbruch 05:30 stand auf einmal eine 2er Seilschaft vor uns, die am 1. Eisfeld biwakiert hatten und zeitig aufgebrochen war. Da just in diesem Moment die Sonne aufging und mir und meiner Kamera dadurch die wohl beeindruckensten Bilder dieser Tour beschert wurden, mussten wir die Seilschaft passieren lassen. Danach drehte ich mich um und der erste Blick gegen Gipfel bestätigte meine Vermutung. Etwas mehr als 70m fehlten uns zum Gipfel und Abschluss der Ortler Hintergrat Besteigung.

 

Ortler Hintergrat Tag 2

Eine 3er und eine 2er Stelle hatten wir noch zu überwinden, dann standen Tabsi und ich um 06:30 am Gipfel. Das tolle Panorama und die seltene Chance den Ortler Gipfel für sich alleine zu haben, entschädigten uns für das nicht ganz geglückte Vorhaben.

Im Abstieg über den Ortler Normalweg begegneten uns viele Seilschaften, die es nicht ganz glauben konnten, dass sich um diese Uhrzeit bereits erste Seilschaften wieder im Abstieg befinden. Wer ihn kennt, den Abstieg, weiß, dass sich der Normalweg sehr zieht und auch einmal eine Stelle hat an der man sichern sollte. Ich würde sagen, etwa 20 Minuten unterhalb des Lombardi-Biwaks, wenn es vom Schnee in den Fels übergeht. Ansonsten ist der Abstieg nicht extrem anspruchsvoll aber lange. Um ca. 11:00 waren wir dann wieder beim Auto und traten unsere Heimreise an…

 

Ortler Hintergrat Fazit:

Eine echt tolle Tour, v.a. die von uns gewählte Ortler Hintergrat Variante wird mir in Erinnerung bleiben. Verglichen mit anderen bekannten Grat-Touren möchte ich den Stüdlgrat hernehmen, der in etwa nur 1/3 so lange und auch technisch etwas weniger fordernd ist. Mit einem Zwischenstopp an der Hintergrathütte ist die Tour sicher einfacher zu bewältigen, aber im unteren Teil leider nur im Dunkeln zu machen.

 

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